Tajikistan

Nachem wir Tashkent nach einer durchzechten Nacht Richtung Grenze Tajikistan verliessen, stiessen wir noch auf drei junge Briten, welche den selben Plan hatten, nämlich den Pamir Highway unter die Räder zu nehmen. Der Grenzübritt war wiederum eine kleinere Sache. Marius durfte den Stempeln fürs Auto nachrennen, während Reto und Pascal sich zu den Grenzbeamten ins kühle Büro setzten und „Dumm und Dümmer“ auf russisch schauten. Nach drei Stunden waren wir dann schliesslich drinnen. Tajikistan machte auf den ersten Blick eher einen wohlhabenden Eindruck, wenn man bedenkt, dass das Land mausarm ist. In der Pamir Region ist der Durchschnittslohn pro Jahr unter 200 Dollar. Um in die Hauptstadt, Dushanbe, zu kommen, mussten wir zuerst eine Bergkette überwinden. Auf dreitausend Meter über Meer präsentierte sich uns dann ein Tunnel erster Güte. Stockdunkel und kilometerlang mit tausenden mit Wasser gefüllten Schlaglöchern. Russisches Roulette. Doch auch dieses Problem überwanden wir souverän und trafen schliesslich um Mitternacht in Dushanbe ein. Eine Nacht im Hotel und los konnte es gehen. Das grosse Bergabenteuer.

Etwas später als geplant machten wir uns also am nächsten Tag auf die Socken Richtung Berge. Und sobald wir den Richtigen Abzweiger gefunden hatten und uns am ersten GBAO Checkpoint eingetragen hatten wurden wir zweifach überwältig. Erstens durch die gewaltigen Naturschönheiten. Messerscharfe Bergkanten aus feuerrotem Fels münden im Tal, welches durch einen grau gefärbten Fluss durchflossen wird. Neben dem Fluss sind immer wieder grüne Wiesen, welche in einem saftigen Grün leuchten und den Bauern als Weide dienen. Atemberaubend und imposant zugleich. Und dann war da die zweite Überwältigung. Durch diese gewaltige Natur führt eine Schotterpiste in erbärmlichem Zustand (die ersten 200-300 km des Pamir Highways sind anscheinend die schlimmsten).  Und genau diese Schotterpisten versuchten wir mit nahezu Null Bodenfreiheit zu bezwingen. Oft war selbst der erste Gang zu wenig untersetzt und immer wieder schlugen wir mit dem Unterboden auf. Doch mit schieben und würgen schafften wir es immer irgendwie. Team Chiimori war nicht zu stoppen. Ein Teilstück nahmen wir sogar noch einen lokalen Passagier mit, welcher zu Fuss zu seinem Dorf unterwegs war. Man hilft wo man kann, denn wir wussten, hier oben kann es auch für uns sehr schnell soweit kommen, dass wir auf die Hilfe der Bevölkerung angewiesen sein würden. Am Abend des ersten Tages mussten wir schliesslich irgendwo schlafen, doch wo schlägt man den ersten Hering ein, wenn man durch Schilder von Tretminen gewarnt wird? Wir wussten zwar, dass das Gebiet um die Strasse gesäubert wurde, doch wie gross ist dieses Gebiet? Nun, wir haben alle Glieder behalten und fanden in der ersten Nacht ein Guesthouse zum Schlafen. Am nächsten Tag startete unser Auto nicht richtig, lief kurz nicht auf allen Zylindern. Dies legte sich zwar schnell wieder, war jedoch kein gutes Omen. Egal. Weiter ging es Richtung erste Passhöhe auf 3200m (Der Pamir Highway besteht aus mehreren Pässen, wobei der höchste der Pamir selbst ist). Allerdings wurden wir bei einem Checkpoint von einem Beamten gestoppt, welcher uns zuerst mit zu einem Andreaskreuz verschränkten Armen klarmachte, dass es kein Durchkommen gäbe. Nach einer Weile erklärte er in hochgestochenem Russisch –  schliesslich konnten wir mit unseren fabulosen Russischkenntnissen nichts verstehen – unter Zuhilfnahme von Steinen und Holz, dass eine Brücke mitsamt einem Lastwagen eingestürzt sei. Nach mehrmaligem Insistieren konnten wir ihn doch noch überzeugen, dass wir uns selbst ein Bild machen durften und er liess uns passieren. Wir waren der Meinung, dass selbst so ein mickriges Brücklein uns nicht stoppen könne. Kurz vor der Passhöhe machten wir einen Halt, da wir ein Problem mit dem Benzin hatten, beziehungsweise mit dessen Knappheit. Wir wussten, dass wenn wir den Pass bezwingen und dann bis zur Brücke kommen würden, wir es im Falle eines Umkehrens nicht mehr Richtung Dushanbe schaffen würden. Denn Benzin war auf dem Pamir Highway nur in sehr kleinen Einheiten aufzutreiben. Während wir so sinnierten, traf Simon, ein neuseeländischer Radfahrer der hartgesottenen Sorte, bei uns ein. Er überzeugte uns schlussendlich, denn Pass unter die Räder zu nehmen und dann, im Falle eines Umkehrens,  über die Reste der Brücke (welche bis zu diesem Zeitpunkt noch niemand von uns gesehen hatte) zu klettern. Von da wären es dann noch ungefähr fünf Kilometer zu einem Dorf, wo wir Benzin holen könnten. Das hörte sich doch nach einem grandiosen Plan an! Also Karre an und über den Pass. Wir bezwangen 3200m mit unserem Hyundai Getz auf erbärmlichen Strassen. Nichts konnte uns stoppen, rein gar nichts. Und dann ein harter, dumpfer Schlag. Alles was nicht niet- und nagelfest war flog durch den Fahrgastraum. Und  plötzlich war da keine Leistung mehr vorhanden. Der Tritt auf das Gaspedal blieb ohne Folgen. Sekunden später leuchtete die Öllampe auf und wir wussten wo der Hammer hing. Ein Blick unter das Auto bestätigte unsere Vermutung. Ein Stein hatte uns die Ölwanne trotz Unterbodenschutz beschädigt. Die drei Engländer waren auch keine grosse Hilfe, also schickten wir sie zurück Richtung Dushanbe. Da standen wir also, drei Banausen mit einem defekten Auto auf 3000m über Meer, wenige Kilometer südlich die afganische Grenze und die nächste Garage 200km entfernt. Ratlosigkeit machte sich auf unseren langen Gesichtern breit. Ein Plan musste her. Wir mussten irgendwie wenigstens zu dem erwähnten Dorf kommen, denn Proviant war auch nicht mehr in Hülle und Fülle vorhanden. Wir waren richtig gut vorbereiten auf ein Versagen unserer Maschine. Doch dann hatten wir eine zündende, bzw. eher rollende Idee. Laut Höhenprofil ging es zur Brücke 25km abwärts und unsere Bremsleitungen waren noch intakt. Also rein in die Seifenkiste und rollen lassen. Nach weniger als einem Kilometer war der Spass leider schon wieder vorbei, den es ging kurz sanft bergauf. Diese Steigung schafften wir noch mit vereinten Kräften und schieben, doch kurz danach kam ein etwa 500m langes Stück, welches zu steil war. Da konnten wir die Seifenkiste einfach nicht hochschieben. Und zudem ging es rechts noch hunderte Meter in die Tiefe runter. Ohne Leitplanken versteht sich. Endstation. Also erstellten wir die Marschpackung, nahmen unser letztes Wasser und machten uns auf den 30km langen Weg zum nächsten Dorf. Doch siehe da, kaum hatten wir uns in Bewegung gesetzt, kam doch noch ein Lastwagen, welcher sich auch irgendwie beim Checkpoint durchgemogelt hatte. Dieser zog uns dann über das kurze ansteigende Stück und versicherte uns, dass es ab da wirklich nur noch abwärts gehen würde. Von da an begaben wir uns also auf die längste Seifenkistenfahrt der Welt. Wer braucht schon einen Motor, ist doch sowieso völlig überbewertet. Ab und zu machten wir eine Pause um die Bremsen abkühlen zu lassen. Und um 5 Uhr abends kamen wir schliesslich emissionslos bei der Brücke an, wo ungefähr fünf Lastwagen warteten, welche dort auch blockiert waren. Die Brücke schaute gar nicht gut aus. Sie war zwar nicht hoch, doch ist sie unter einem Laster komplett eingebrochen, nur noch ein Teil des Geländers verband die beiden Seiten des Flusses. Wir halfen Simon noch schnell sein Rad und sein Gepäck über dieses Geländer zu bugsieren und verdienten unsere Sporen ab, indem wir auch der lokalen Bevölkerung noch etwas unter die Arme griffen und Waren aller Art über den Fluss brachten. Zu einem Zeitpunkt wurde Reto gar ein Baby übergeben.

Nach etwa einer Stunde begaben wir uns dann wieder zu unseren defekten Karre. Ein Autotransport nach Dushanbe hätte ungefähr vier Tage in Anspruch genommen und es war ungewiss, ob solch ein Autotransporter überhaupt auf diesen Strassen fahren kann. Also begutachteten wir mal fachmännischem Auge den Schaden. Kaum lagen wir unter dem Auto mit dem  Schraubenschlüssen in der Hand, tanzte auch schon Olim an, ein etwa 25 jähriger tajikischer Lastwagenfahrer, welcher mit seiner Familie und seinem Lastwagen festsass. Und was dann folgte ist an Hilfsbereitschaft kaum zu überbieten. Olim nahm den Schraubenschlüssel, kroch unter den Wagen, demontierte den Unterbodenschutz, welchen wiederum andere mit Hammer und Zange in die ursprüngliche Form brachten, kroch kurz darauf nochmals unter dem Auto hervor und sagte mit dickem russischem Akzent: „Normal, nooo problem“. Und schon verschwand er wieder unter dem Auto, liess das restliche Öl ab, reinigte alles mit Benzin und fragt dann nach einem Verband. „Verband?“,  fragten wir uns, hat der Gute sich da unter dem Auto den Kopf gestossen oder was? Wie sich dann jedoch herausstellte war Olim einiges kleverer als wir. Er brauchte den Verband sozusagen als Faserverstärkung. Er tunkte diesen in Dreikomponenten-Kleber und dichtete den Riss in der Ölwanne fein säuberlich damit ab. Nach ca. drei Stunden war das Auto wieder komplett zusammengebaut und kurz bevor es zu dunkel wurde, durften wir den Zündschlüssel drehen. Der Motor gurgelte, der Öldruck war ok, aber er startete nicht. Verdammt, aber mal den nächsten Tag abwarten, Olim war zuversichtlich, dass da noch was gehen würde. Während der Nacht traf schliesslich der erste Kran bei der Brücke ein und fing mit den Aufräumarbeiten an. Am nächsten Morgen lokalisierte Olim den Fehler bei der Benzinpumpe. Also baute er die Bezinpumpe aus und hängte diese direkt an die Batterie an. Und dann pumpte sie. Die Bezinpumpe war also nicht defekt. Nach langem Suchen konnte der Fehler in der Bordelektrik trotzdem nicht gefunden werden. Mit dem Resultat, dass uns zwei Drähte auf der Konsole befestigten wurden. Olim instruierte uns, dass  wir diese Drähte verbinden müssten, um die Benzinpumpe während der Fahrt mit Energie zu versorgen. Gesagt, getan. Und siehe da, der Motor startete! Nach insgesamt knapp sieben Stunden Einsatz von Olim und anderen hatten wir wieder ein fahrfähiges Auto. Ja, mit Kleber und ein bisschen Draht ist alles zu reparieren. Mit laufendem Motor wurde uns dann angeboten, dass der Kran für ein paar Dollarski unser Auto über den Fluss hieven würde. Doch als sie einfach ein Gurt ums Auto legen wollten, war uns dann doch nicht ganz wohl zu mute. Zu hoch das Risiko, dass die gesamte Fahrgastzelle eingedrückt werden würde. Also entschlossen wir uns wieder den beschwerlichen Weg Richtung Dushanbe anzutreten. Und unsere Glücksträhne riss nicht ab, kriegten wir doch noch 10l Benzin bei einer Tankstelle. Bei den verschiedenen Checkpoints überbrachten wir, wie einst Marathon bei den Römern, die Bilder der zerstörten Bilder unter die Beamten.

Wie Phönix aus der Asche sind wir nun wieder auf der Strasse. Eigentlich wollten wir den direktesten Weg nach Osh, Kirgistan, nehmen. Doch leider mussten wir an der Grenze feststellen, dass der Grenzübertritt für Ausländer nicht möglich ist. Jetzt müssen wir alles zurück nach Dushanbe, dann weiter wieder durch den wässrigen Tunnel und schlussendlich im Norden den Grenzübergang nach Kirgistan benutzen. Ein riesen Umweg. Nooo Problem.

Ein bisschen Wehmut ist schon vorhanden, dass wir den Pamir Highway nicht ganz bewältigen konnten. Die 4600m hätten wir gerne noch geschafft, ebenso einen Tagesausflug über die afghanische Grenze. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Pamir, wir kommen zurück!

 

Hey Simon, short version for you: Unbelievable, but a young and very helpful truck driver was able to fix our car. Hey used some glue and bandage to fix our sump. Sadly, this wasn’t the only broken part. The electric connection to our fuel pump was also broken. But he was also able to fix that as well. As a result we now got two wires next to the steering wheel. To start the engine we have to make a connection between them to get the fuelpump running. It’s all good again! During the night a crane had been installed at the bridge, starting to get out the goods of the truck. They even wanted to lift our car on the other side, but the right tools to lift our car properly weren’t available. Therefore, we drove all the way back and wanted to use the straight street parallel to the M41 to Osh. But apparently, the border crossing is closed for foreigners. We now have to do a huge detour to the northern border crossing. But easy, that’s what travelling is all about. We are just glad to have a running car again.

Hope your bicycle is still in one piece and we wish you a safe trip to china, was a pleasure to meet you!

 

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